Wie Yoga dich aus dem Überlebensmodus rausholt
- Naima Njari
- 15. Feb. 2023
- 5 Min. Lesezeit
Als ich angefangen habe, Yoga zu praktizieren, habe ich schnell gemerkt, wie gut es mir tat und was sich durch diese Praxis in mir veränderte. Damals hatte ich noch zu wenig Wissen, heute weiss ich, was diese Veränderung in mir ermöglicht hat und warum Yoga auch dir helfen kann, aus dem Überlebensmodus auszusteigen und wieder erfüllt zu leben!
Wir alle wissen, wie hoch die Anforderungen teilweise sind, die Tag für Tag an uns gestellt werden. Egal ob bei der Arbeit, in der Schule oder sogar in unserer Freizeit: unsere Terminkalender werden immer voller. Wir versuchen, alles unter einen Hut zu bekommen und dabei noch allen anderen und wenn möglich uns selber gerecht zu werden. Zusätzlich leben wir in einer Zeit, in der die Informationen nur so auf uns einprasseln und die einfach unglaublich laut und anstrengend sein kann.

Sogar wenn wir darauf achten, uns nicht so stressen zu lassen und auch Ruhepausen einplanen, bleiben die Anforderungen hoch. Dadurch, dass viele von uns zusätzlich das Gefühl haben, es allen anderen Recht machen zu müssen, möglichst perfekt zu sein und ja keine Fehler zu machen, setzen wir uns selber nur noch mehr unter Druck. Auf diesen innerlichen und äusserlichen Druck reagiert der Körper mit Stress. Deine Herzfrequenz steigt an, deine Atmung wird flacher und deine Verdauung verlangsamt sich. Dadurch wirst du kurzfristig leistungsfähiger, denn die Stressreaktion war eigentlich einmal dafür da, um uns in gefährlichen Situationen handlungsfähig zu machen, so dass wir fliehen oder kämpfen können.
Das Problem ist nur, dass die meisten von uns aus dieser Stressreaktion des Körpers nicht mehr rauskommen. Wir interpretieren die Anforderungen des Chefs, unserer Freunde etc. an uns unbewusst als Gefahr, denn wir könnten ihnen ja nicht gerecht werden. Dadurch bleibt unser Körper im Zustand von Dauerstress, im sympathischen Nervensystem. Du funktionierst quasi auf Autopilot, leistest und leistest immer weiter, fühlst dich vielleicht Wochen, Monate oder Jahrelang gestresst. Für viele von uns wird dieser Zustand zum Normalzustand. Dadurch nehmen wir irgendeinmal vielleicht gar nicht mehr wahr, dass wir pausenlos nur funktionieren und nie wirklich Zeit für Regeneration haben.
Unser Körper merkt das aber auf jeden Fall! Dadurch, dass bei dir die ganze Zeit nur das sympathische Nervensystem angeschaltet ist, entwickeln sich mit der Zeit vielleicht Probleme. Denn eigentlich wäre die Stressreaktion wie gesagt dafür da gewesen, in schwierigen Situationen zu flüchten/kämpfen und nicht, in diesen Situationen drinzubleiben. Nur leider sind die meisten der heutigen Stressoren immer irgendwie da... Du bekommst vielleicht Probleme mit deiner Verdauung, fühlst dich ständig müde, weil du deinen Körper durch die flache Atmung nicht mit genügend Sauerstoff versorgst und verspürst ständig so ein inneres Unruhegefühl, obwohl eigentlich alles in Ordnung wäre. Bleibst du über längere Zeit in diesem Zustand, übersäuert dein Körper irgendwann und der Grundstein für Krankheiten ist damit gelegt.

Und das ist der Punkt, wo Yoga ins Spiel kommt. Yoga hilft uns nämlich durch seine tiefe, gleichmässige Atmung sowie das achtsame Spüren unseres Körpers dabei, unser Nervensystem wieder zu regulieren und auch einmal ins parsaympathische Nervensystem zu wechseln. Das parasympathische Nervensystem ist der Gegenspieler zum sympathischen Nervensystem und ist zuständig für unsere Regeneration und Erholung. In diesem Zustand können wir besser verdauen, unsere Herzfrequenz nimmt ab, unsere Muskeln entspannen sich und unser Körper findet wieder in einen Zustand der Homöostase (des inneren Gleichgewichts) zurück. Wir beginnen, uns durch Yoga sicher im eigenen Körper zu fühlen und unseren Körper überhaupt erst mal wieder richtig wahrzunehmen, denn meistens nehmen wir in Zeiten hoher Stressbelastung unseren Körper und seine Signale kaum wahr.
Erst im parasympathischen Nervensystem findet echte Regeneration statt. Erst hier können die Prozesse deines Körpers einsetzen, die dir bei der Integration und Verarbeitung all der Reize helfen, die von aussen kommen. Erst hier kannst du lernen, integrieren und wieder richtig leben! Vorher befindest du dich nur im Überlebensmodus! Und auch echte Achtsamkeit können wir erst entwickeln, wenn wir uns im parasympatischen Nervensystem befinden. Im sympathischen Nervensystem folgt nämlich auf einen Reiz so schnell eine automatische Reaktion, dass wir meistens den Raum dazwischen nicht mehr richtig wahrnehmen. Dies hindert uns daran, wirklich Veränderung in unserem Leben zu erschaffen, denn erst, wenn wir nicht mehr auf Autopilot laufen, können wir unsere Gedanken und Interpretationen bewusst wahrnehmen und uns fragen, ob das denn wirklich so stimmt oder ob wir nicht anders reagieren möchten. Dies führt tatsächlich zu einer Veränderung in unserem Gehirn. Unser Präfrontaler Kortex, der Sitz unseres Bewusstseins und unseres rationalen Verstandes, wird nämlich gestärkt und macht es so alten, unbewussten Verhaltens- und Reaktionsmuster schwieriger, unbeobachtet zu bleiben.
Und daran siehst du auch, warum eine Yogaklasse, die dich nicht ins parasympathische Nervensystem bringt, zwar deine Willenskraft und innere Stärke (dein Yang) fördern kann, sie dich aber nicht dazu bringt, wirklich abzuschalten. Die meisten heutigen Yogaklassen sind sehr stark auf der Yang-Seite angesiedelt, und wie gesagt, sie können dir unglaublich dabei helfen, deine Willensstärke weiterzuentwickeln. Diese Art von Klassen bringen aber für viele Teilnehmer/innen keine echte Regeneration. Dadurch, dass wir oft viel zu beschäftigt sind, die Haltungen richtig auszuführen, verlieren viele Schüler ständig wieder den Kontakt zum Atem und fallen in alte Atemmuster zurück. Zusätzlich vergleichen sie sich weiterhin mit den anderen Schülern und schaffen auch so wieder eine Stresssituation in der Yogaklasse, obwohl sie ihnen eigentlich zur Regeneration dienen sollte. Wir haben in unserem Alltag schon genug vom Yang, wir sollten als Ausgleich dringend auch die Yin-Energie fördern. Deshalb ist es extrem wichtig, dass in jeder Yogastunde auch Raum für Entspannung und Innenschau Platz hat und dass der Atem immer das Wichtigste bleibt! Denn sobald dein Atem nicht mehr tief und gleichmässig fliesst, ist der erste Schritt zurück ins sympathische Nervensystem bereits getan.

Achte bei der Yogaklasse, die du besuchst, also darauf, dass deine Lehrperson dich immer wieder daran erinnert, bei deinem Atem und bei dir zu bleiben, den Blick nach innen zu richten und zu beobachten, wie dein Körper reagiert. Das ist in anstrengenden und weniger anstrengenden Haltungen möglich, und doch sollte die Klasse möglichst ausgeglichen sein und neben aktivierenden auch beruhigende Elemente enthalten.
Wir alle sind so gefangen in den ständigen Anforderungen an uns, dass es uns manchmal in Yogaklassen richtig schwer fällt, abzuschalten. Wir werden dann innerlich unruhig, können unsere Augen nicht schliessen und müssen uns ständig bewegen. Wenn uns die Bewegung dann nicht genug schnell geht, verlieren wir uns vielleicht in Gedanken wie: "Diese Yogaklasse ist viel zu langweilig.", "Wir machen ja kaum was, wofür bin ich eigentlich hier?" oder "Ich bin hier um zu schwitzen, nicht um zu atmen!".
Wenn du es schaffst, diese Gedanken bewusst wahrzunehmen, zu hinterfragen, warum dich langsame und achtsame Bewegung unruhig macht und dich dann noch daran versuchst, dich trotzdem in die Entspannung gehen zu lassen, dann praktizierst du bereits Yoga. Und dann regulierst du dein Nervensystem bereits soweit, dass echte Regeneration wieder möglich wird.
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